Von Andreas Maisch
Schöne neue Apple-Welt: Das Firmenlogo des IT-Herstellers macht Menschen kreativer – durch bloßes Betrachten. Das jedenfalls folgern US-Psychologen aus einem Versuch mit unterschwelliger Beeinflussung. Doch die Studie ist stark umstritten.
Alles, was die 341 Studenten sahen, waren rötliche Quadrate und Zahlen auf einem Computerbildschirm. Ihnen wurde gesagt, es handle sich um einen Sehschärfetest: Sie sollten die Zahlen addieren und sagen, ob das Quadrat rechts oder links erscheint – einen Apfel sahen die Versuchspersonen nicht, und die drei großen Buchstaben I, B und M auch nicht. Dabei wurden auch die gezeigt – allerdings nur für 13 Millisekunden. Zu kurz für die menschliche Wahrnehmung.
Beim anschließenden Test sollten die Studenten möglichst viele außergewöhnliche Verwendungen für einen Ziegelstein nennen – zum Beispiel Türstopper oder Tischbein. Das Ergebnis: Wer vorher einen Apfel auf dem Schirm hatte, egal ob als Bild oder Wort, konnte mehr ungewöhnliche Anwendungen nennen als diejenigen, die nur IBM eingeblendet bekamen. Auch wenn sich nachher niemand daran erinnern konnte, irgendein Logo je gesehen zu haben.
Diese Studie, die in der April-Ausgabe des „Journal of Consumer Research“ erscheint, dürfte in der Apple-Fangemeinde Freudenschreie auslösen. Denn die Forscher der Duke University im amerikanischen Durham und der Universität im kanadischen Waterloo schließen: Wenn Menschen das Apple-Logo wahrnehmen, werden sie kreativer, als wenn sie das IBM-Logo zu Gesicht bekommen – und all das, obwohl sie die Logos gar nicht bewusst verarbeitet haben. Das Ergebnis passt zum Selbstverständnis der Apple-Fangemeinde: Wir sind kreativer, innovativer, unabhängiger als die Anderen.
Die alte Mär von der unbewussten Manipulation
Die Behauptung, unterschwellige Beeinflussung helfe beim Marketing, hat eine lange Tradition. (mehr…) 1957 berichtete der Werbefachmann James Vicary Unglaubliches: Er habe in einem Kino in Fort Lee, New Jersey, Besucher mit unterschwelligen Botschaften zu willenlosen Konsumenten gemacht. So habe er „trinkt Cola“ und „esst Popcorn“ unbemerkt in einen Kinofilm eingestreut, mit dem Ergebnis: Die Verkaufzahlen an den Snack-Tresen schossen in die Höhe. Der Protest war enorm: Unterschwellige Werbung wurde sofort offiziell verboten – dabei war alles erfunden, wie Vicary später zugab – er wollte nur Aufmerksamkeit für seine angeschlagene Werbeagentur. Aber das Gerücht ist seitdem in der Welt: Die Werbeindustrie kann uns unbewusst manipulieren.
„Unterschwellig Befehle geben, das funktioniert nicht“, sagt der Werbepsychologe Axel Mattenklott von der Universität Mainz gegenüber SPIEGEL ONLINE. So konnten Vicarys Behauptungen in Experimenten nie wiederholt werden.
Aber ganz verabschieden von unterschwelliger Beeinflussung will sich die Werbeindustrie nicht: Priming heißt das neue Zauberwort – ein Phänomen, das in der psychologischen Forschung seit längerem bekannt ist. So können nicht bewusst wahrnehmbare Reize zwar nicht wie Befehle wirken, aber späteren Handlungen den Weg bahnen – englisch „primen“: Blitzt eine unsichtbare „1“ auf, können Versuchspersonen eine anschließend gezeigte sichtbare „3“ schneller als „kleiner als fünf“ klassifizieren als wenn vorher eine „6“ gezeigt wurde.
Macht ein Logo kreativer?
„Das geht aber alles nur, wenn Menschen motiviert sind“, sagt Mattenklott. So berichteten niederländische Forscher vor zwei Jahren im Fachjournal „Journal of Experimental Social Psychology“: Probanden, denen unterschwellig der Name einer Eisteemarke eingeblendet wurde, wählten anschließend diesen Eistee häufiger als Wasser – aber nur wenn sie durstig waren!
Aber was passierte mit den amerikanischen Studenten, warum machte sie das unterschwellige Apple-Logo kreativer? Die Antwort der Forscher: Die Marke Apple sei in den Köpfen der Menschen stärker mit Kreativität verbunden als IBM – und durch das „Priming“ mit dem Apple-Logo werde kreatives Handeln gefördert, was die „Geprimten“ im anschließenden Kreativitätstest erfolgreicher mache.
„Das ist der erste Beweis, dass unterschwellige Markendarbietung Menschen dazu veranlasst, auf ganz spezifische Weise zu handeln“, schwärmen die Autoren auf der Homepage der Duke University – es sieht so aus, als sei das Getöse von der unterschwelligen Beeinflussung zurück. Der nüchterne Blick auf die Zahlen aber zeigt: Apple-„Geprimte“ konnten gerade mal zwei ungewöhnliche Backsteinanwendungen mehr nennen als IBM-„Geprimte“. Zwar ein signifikanter Unterschied, aber wirklich einer, der die Werbeindustrie revolutionieren soll?
Verhaltensmanipulationen unmöglich
Davon wollen sich die Forscher freilich nicht beeindrucken lassen. „Unsere Ergebnisse sprechen klar für Marken, die starke Assoziationen in den Köpfen der Menschen haben“, so Co-Autor Gavan Fitzsimons gegenüber SPIEGEL ONLINE. Denn sobald Firmen derartige Assoziationen geschaffen hätten, könnten kurze, beiläufige Markendarbietungen Menschen viel stärker beeinflussen als traditionelle Werbung – subtiles Product Placement, das sei die Werbung der Zukunft.
Andere Wissenschaftler bleiben nüchterner. „Das Ergebnis ist nicht so spektakulär, wie es vielleicht klingen mag – dass unbewusstes Priming funktioniert, ist ja schon lange bekannt“, sagt der Kognitionspsychologe Ronald Hübner von Universität Konstanz im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Die Bedeutung derartiger Beeinflussung sei zwar signifikant – aber absolut gesehen sehr gering. „Weitreichende Verhaltensmanipulationen durch unbewusstes ‚Priming‘ mittels Werbung im Alltag, wo ja viele Einflüsse herrschen, sind unmöglich.“
Die Studie hat sogar eine eklatante methodische Schwäche. Sie beweist nämlich gar nicht, dass wirklich das Apple-Logo an sich kreativer macht. Die Forscher verwendeten nämlich das IBM-Logo nur in schriftlicher Form, als Apple-Logo hingegen nahmen sie den kleinen bunten Apfel und „Apple“ als Wort. Könnte der Unterschied also einfach daher kommen, dass das Apple-Logo runder und bunter ist?
Zudem hat die Studie einen faden Beigeschmack: Ausgerechnet die Duke University unterhält seit mehreren Jahren eine intensive Kooperation mit der Firma Apple. Diese „Duke Digital Initiative“ startete im Herbst 2004 mit der Verteilung von iPod-Playern an alle 1400 Neuankömmlinge und führte zur Plattform iTunes U – mit der sich die Studenten Lernmaterialien für ihre iPods herunterladen können. Ist bei diesen Verflechtungen unabhängige Forschung möglich? „Wir bekamen keinerlei Unterstützung von Apple für unsere Forschung – und sprachen auch nicht mit der Firma vor der Veröffentlichung der Ergebnisse“, verteidigt sich Fitzsimons.
Die Forscher scheinen geradezu berauscht von ihren eigenen Ergebnissen: Zwei der drei Wissenschaftlern wechselten nach Fertigstellung der Studie von herkömmlichen PCs zu Apple-Computern, auch Gavan Fitzsimons: „Eine extra Portion Kreativität ist eine gute Sache für unsere Arbeit“. So scheint das Apple-Logo zumindest einen Effekt zu haben: Es beflügelt die Phantasie von Wissenschaftlern bei der Interpretation methodisch fragwürdiger Experimente.
Quelle: www.spiegel.de